Schaufenster - 20. Jänner 1999

Eine uralte Kunst wird neu interpretiert: die Dekorations- und Illusionsmalerei. Während es in vergangenen Jahrhunderten Mäzenen und begüterten Aristokraten vorbehalten war, sich täuschend echten Schein und süßen Trug an die Wand malen zu lassen, erstrahlt der Glanz vergangener Zeiten nun für jedermann erschwinglich. Ein Porträt der Handwerkerinnen und Jungunternehmerinnen Stephanie Hoyos und Sophie Trauttmannsdorff.

Eine besondere Täuschung üben Stephanie Hoyos und Sophie Trauttmansdorff aus: jene des Auges. Seit zwei Jahren lassen die Kunsthandwerkerinnen eine alte Spielart des Stillebens wiedererstehen, die im europäischen Barock ein große Rolle spielte: Die Dekorations- und Illusionsmalerei, französisch"Trom-pe L´Oeil", deutsch:"Augentäuscherei". Sophie Trauttmansdorff stieß schon während ihrer Ausbildung als Kunsttischlerin auf die Technik. Gemeinsam mit Partnerin Stephanie Hoyos perfektionierte sie das Können dann bei Studien in Brüssel. Der"Trompe L´Oeil"-Kunsthandwerker hat die Aufgabe, eine gemalte Illusion der Wirklichkeit auf Wänden oder Leinwand entstehen zu lassen. Tropische Landschaften, rauschende Ozeane, Flora und Fauna, Holz, Marmor, Gestein - die perfekte Imitation von Materialien oder Motiven, strukturiert und plastisch anschaulich gemacht, ist das Ziel. Hoyos und Trauttmansdorff lassen damit eine alte Tradition wieder aufleben und verbinden bewährte Techniken mit neuen Materialien. "Will man zeitlich sehr weit zurückgehen, kann man die Ursprünge der Dekorations- und Illusionsmalerei eigentlich in der Bemalung von Urzeithöhlen sehen", so die studierte Innenarchitektin Trauttmansdorff. Wie es scheint, gab es damalsb ereits, noch weit vor Erfindung der Tapete, das Verlangen, die Wände der privaten Unterkunft zu verschönern.

In der Antike entwickelten Hellenen, Etrusker und Römer die Technik der optischen Täuschungsmalerei zu wahrer Perfektion. Schriftsteller berichten von Künstlern, deren gemalte Imitationen von Früchten gar hungrige Tiere anlockten und täuschten. Heute noch kann man in Pompeji die hohe Fertigkeit bewundern, Truglandschaften herzustellen. Im 17. und 18. Jahrhundert erlebte die Dekorationsmalerei dann eine neuerliche Hochblüte. Besonders in Frankreich (daher der Name "Trompe L´Oeil"), in Italien und Belgien erfreute sich das Spiel mit der Illusion großer Beliebtheit. Kaum ein Château oder Palazzo, die nicht adäquat dekoriert wurden. Und in Österreich ließ sich Maria-Theresia die - kürzlich renovierten - Schönbrunner Illusions-Zimmer von Meister Bergel anfertigen. Auch Empire und Biedermeier schätzten die Effektemalerei. Ein ausgezeichnetes Beispiel bietet der Wintersalon des Geymüller-Schlössels in Wien.

Heute sind dank moderner Materialien dem Einsatz der traditionsreichen Handwerkstechniken schier keine Grenzen gesetzt. Stephanie Hoyos und Sophie Trauttmansdorff haben sie zur Alltagstauglichkeit perfektioniert. Das Faszinierende an der Profession ist die Vielfalt an zu erzielenden Effekten und die schier unbegrenzten Möglichkeiten, Träume und Räume verblüffend zu gestalten. Hoyos: "Schwimmbäder, Stiegenaufgänge, Zinshäuser, Schlafzimmer, jeder Kundenwunsch, vom Sternenhimmel über die illusionistische Bibliothek bis zum, Zimmer mit Aussicht kann erfüllt werden." Das Motto lautet: "Gemütliche Atmosphäre" oder "Aus Klein mach Groß". Selbst winzige Naßräume wachsen dank der Farbenspiele von Hoyos & Trauttmansdorff zu endlosen Weiten des Meeres. Auch bei größeren Aufträgen holten sich die beiden schon Meriteil. So etwa bei der maßstabgetreuen, künstlich-künstlerischen Fassade des Melker Pavillions hinter der die wirkliche renoviert wurde. Gastronomiebetriebe und Unternehmen zählen ebenfalls zu den Kunden.

In einem kleinen Atelier nächst Wien entstehen die Kunstwerke der jungen Damen auf Leinwand. Sie sind aber auch härtere Bedingungen gewohnt, denn stundenlanges Arbeiten auf meterhohen Stahlgerüsten sind Teil ihres Kunst-Handwerks. Welche Materialien zum Einsatz kommen, hängt von der Beschaffenheit der Wand und vom Zweck ab - traditionelle Ölfarben, moderne Lacke und feuchtigkeitsresistente Acrylfarben. Verrechnet werden Pauschalpreise: Ab 950 Schilling pro Quadratmeter für einfache Effekte; Dekorationsmalereien schlagen sich mit 2.000 Schilling pro Quadratmeter zu Buche; dazu kommen etwaige Spesen. Auch das altehrwürdige"Vazieren" pflegen die Handwerkerinnen noch - sie reisen von Auftrag zu Auftrag.

Info: Fax-Kontaktnimmer: 01/699 29 27.

HERBERT AIGNER SCHAUFENSTER