Frauenblatt - 17. Oktober 1998
Italien grüßt in einem Hallenbad, auf glatten Wänden täuschen große Türen den Ausblick auf sonnendurchflutete Landschaften vor. Doch Vorsicht! Wer sich davon irritieren läßt und auf die fiktive Terrasse möchte, holt sich unweigerlich eine Beule. So täuschend echt sind die Wohn-Illusionen von Stephanie Hoyos und Dipl.-Ing. Sophie Trauttmansdorff (25).
Gelernt haben die beiden jungen Frauen ihr Handwerk in einer Fachschule in Brüssel. Dort lernten sie auch einander kennen, schlossen Freundschaft und kamen schließlich auf die Idee, ?gemeinsame Sache" zu machen. Und sie ergänzen sich auch wunderbar, die Bühnenbildnerin Stephanie und die Innenarchitektin Sophie.?Für uns ist jeder Auftrag eine enorme Herausforderung. Vor einer riesigen, kahlen weißen Wand zu stehen, der man letztendlich Leben einhauchen soll, ist jedesmal ein Erlebnis für sich - auch noch nach dreieinhalb Jahren!" So lange arbeitet das kreative Duo nämlich schon zusammen. Schleppt kübelweise Farbe heran - immerhin hat einer 25 Kilo -, erklimmt gekonnt Gerüste und schwingt meisterhaft den Pinsel. Und es kommt schon einmal vor, daß ein Kunde bloß mit den Achseln zuckt und meint: ?Hier ist die Wand, machen Sie was daraus!" Auch solche Aufträge sind kein Problem für Stephanie und Sophie.
Durch einige Gespräche, etwas Einfühlungsvermögen und einige Einblicke in das eigentliche Umfeld des Auftraggebers wird schließlich ans Werk gegangen. Gearbeitet wird durchschnittlich, je nach Auftrag, zwischen drei Tagen und drei Wochen. Und dies meist bis zur totalen Erschöpfung. ?Wenn uns danach ist, arbeiten wir von sechs in der früh bis elf Uhr am Abend!" erklären die sympathischen Künstlerinnen dem FRAUEN-BLATT.
An Aufträgen mangelt es ihnen wahrlich nicht, denn in Insiderkreisen hat sich bereits herumgesprochen, daß die Werke der Illusionistinnen Hoyos und Trauttmansdorff verteufelt echt aussehen. Und tatsächlich: Die Illusions- und Dekorationsmalerei, also die Kunst des Trompe l'oeil, die ihren Höhepunkt im 17. Jahrhundert in Frankreich erlebte, findet auch hierzulande immer mehr Anhänger. Eine neue Wohnkultur macht sich allmählich auch in der Alpenre-publik bemerkbar, und die Österreicher sind bereit, ihren eigenen vier Wänden einen ganz persönlichen Touch zu geben.
08-15-Wohnen ist out - es lebe Phantasievolles und Ex-travagentes! Daher liegt auch das Handwerk von Stephanie und Sophie voll im Trend.
An die Wand gemalte Landschaften, Effekte und optische Täuschungen wie Türen, wo keine sind, sollen Wohnräumen eine stilvolle, manchmal exaltierte Atmosphäre verleihen. So ließ sich ein Hausbesitzer sein Badezimmer von den beiden zum tropischen Aquarium mit Fischen und Korallen ausmalen. Ein anderer machte aus einen Eingangsraum kurzerhand eine reich verzierte römische Säulenhalle. Und ein dritter setzte in seinem eigentlich sanierungsbedürftigen Bad Akzente durch Vögel und Efeuranken. Wieder ein anderer imitierte eine Holztäfelung. Wie man sieht, sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt.
Eines steht für Stephanie und Sophie aber fest: ?Wir würden keine Wandmalerei ein zweites Mal machen. Bei unseren Arbeiten handelt es sich ausschließlich um Unikate, und so soll es auch bleiben! Uns ist es nämlich wichtig, jedem Auftraggeber sein höchstpersönliches, ureigenstes Reich zu schaffen. Nur ein Beispiel: Wir haben in etwa schon an die hundert Male einen Himmel gemalt, aber jedesmal sieht er anders aus. Also auch wenn wir wollten, wir könnten nichts kopieren!"
Und wer nun nach all diesen Schilderungen glaubt, sich diesen Luxus nicht leisten zu können, der irrt gewaltig. Die Künstlerinnen verrechnen nämlich nicht nach Stunden, sondern per Quadratmeter! ?Schließlich soll sich jeder eine Wandmalerei leisten können. Wir wollen keine Kunst für die oberen Zehntausend schaffen!"
Ungewöhnlich ist auch die eigentliche Arbeitsstätte der beiden Frauen. Sie richteten sich in einem ehemaligen Hühnerstall in Wien-Vösendorf ihr Werkstatt ein. Doch meisten reisen Stephanie und Sophie von Auftrag zu Auftrag und führen dabei ein Leben aus dem Koffer. ?Uns stört das überhaupt nicht. Im Gegenteil, wir lernen durch unseren Beruf stets neue Leute und Gegenden kennen. Wir führen dadurch ein überaus interessantes und abwechslungsreiches Leben." Wieviele Kilometer sie im eigenen Auto schon zurückgelegt haben, wissen die beiden gar nicht. ?Ist uns auch egal. Hauptsache, die Arbeit macht Spaß!" meinen die Idealistinnen lachend. Vor kurzem gönnten sie sich den ersten Urlaub nach Jahren. Doch schon in absehbarer Zeit sind sie wieder unterwegs, um kahlen Wänden Farbe zu geben und neue Ideen in die Tat umzusetzen.
Nähere Informationen über die Arbeiten des Duos erhält man unter der Telefonnummer 0664/4012 994. Sollten die beiden Damen wieder einmal malenderweise unterwegs sein, kann man auch eine Nachricht unter der FAX-Nummer 01/699 29 27 hinterlassen.
Doris Schleifer-Höderl