FIRST Magazine Juli&Aug/2009
"Nur hereinspaziert", empfängt uns Sophie Trauttmansdorff fröhlich und winkt uns in den parkähnlichen Garten des prachtvollen Anwesens ihrer Eltern am Stadtrand von Wien. Dort betreibt sie seit mehr als zehn Jahren eine kleine, aber sehr erfolgreiche Firma für Illusions- und Dekorationsmalerei (www.murals.at), in der Fachsprache Trompe l'oeil genannt. "In Italien, Spanien oder Frankreich ist die Wandmalerei ein viel stärkerer Bestandteil des Interieurs als bei uns. Ich hatte das Bedürfnis, diese schwer vernachlässigte Technik wiederaufleben zu lassen", erzählz die gebürtige Niederösterreicherin.Was einst Gemächer von Fürsten und kirchlichen Würdenträgern zierte, hat sie mit viel Fleiss und Engagement wieder bekannt gemacht. Und zwar ohne HIlfe und Einsatz ihres Stammbaumes. Schliesslich kann die 35-jährige mit dem Namen Trauttmansdorff, ein ursprünglich steirisches Grafengeschlecht, auf eine mehr als 1.000 jährige Familiengeschichte zurückblicken.
Wie ihre beiden Mitarbeiterinnen Valerie von Einsiedel, 24 und Thea Popova, 41- beide akademisch ausgebildete Wandmalerinnen-ist sie härteste Bedingungen gewohnt. Stundenlanges Arbeiten auf meterhohen Stahlgerüsten, oft im Liegen, gehört für das Trio zum Alltag. Da wird über Herkunft geschwiegen. Auch schicke Designeroutfits oder Tweedkostümchen wird man bei dem jungen Team vergeblich suchen. Doch darum geht es auch nicht. Auf eine Weisse Wand täuschend echte Motive zu malen, oder Farbe in einen trostlosen Wohnraum zu bringen lässt das kreative Herz von Sophie Trauttmansdorff höher schlagen: "Die Wandmalerei ist meine Berufung und mein Weg."
Die kreative Ader wurde der unprätentiösen Aristokratin praktisch in die Wiege gelegt, denn schon ihre Eltern und Grosseltern haben gedichtet, geschrieben und vorallem gemalt. Doch zur Illusions- und Dekrationsmalerei kam sie wie die oft zitierte Jungfrau zum Kind. "Eigentlich habe ich vergleichende LIteraturwissenschaften studiert." Um sich dieses Studium zu finanzieren, arbeitete sie nebenbei in einem Einrichtungshaus und war dort bald als Innenarchitektin im Einsatz. "Das hat mir richtig viel Spass gemacht, aber ich habe schnell benerkt, dass nicht alles, was wie Marmor oder Holz aussieht, auch wirklich Marmor oder Holz ist.
Begeistert von der Kunst und den Tricks der Illusionsmalerei, besuchte Sophie Trauttmansdorff nach dem Studium einen achtmonatigen Spezialkurs am Institut de Peinture Interieure Van der Kelen in Brüssel, um die Originaltechniken zu studieren. Mit fundierten Know-how kehrte sie zurück nach Österreich und konnte sich schon über die ersten Anfragen freuen. "Um diese auch ausföhren zu können, musste ich eine Firma gründen. Und www.murals.at (das englische Wort für Wandmalerei) war geboren", erzählt die renommierte Illusions- und Dekorationsmalerin. Seitdem hat die sympatische 35-jährige in einem Nebengebäude des Landguts ihrer Familie Werkstatt, Atelier und Büro in einem. Von hier aus nimmt sie Aufträge aus der ganzen Welt entgegen.
Vom Moskauer Banker, der sich italienischen Pinienwald für die Poollandschaft wünschte, über einen südafrikanischen Hotelbesitzer, für den sie Lodges in einem Nationalpark gestaltete, bis hin zum kanadischen Millionär, der sich eine Winterlandschaft in sein Skichalet malen liess. Hierzulande kann man ihre Arbeiten zum Beispiel im Hotel Sacher Wien, Vienna Airport und Innsbruck bewundern, wo sie die Decken mit vergoldeten Stuckprofilen veredelte, oder in der Wiener Q-Bar, wo eine riesige Fledermaus an die Wand ziert. Doch bevor Sophie Trauttmansdorff solche individuellen Wünsche erfüllen kann, macht sie eine Bestandsaufnahme vor Ort: "Ich komme in einen Raum, spüre, was er braucht und lasse mir etwas einfallen."
Das Schwierige bei der Umsetzung ist, diese Ideen an ihre Mitarbeiterinnen weiterzugeben. "Ich habe das fertige Bild schon im Kopf und muss es so erklären können, dass die anderen auch wissen,was sie malen sollen", so Trauttmansdorff. Die Kosten und die Dauer für solche Projekte richten sich je nach Aufwand und Grösse des Motivs.
Dass die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Kunden sehr unterschiedlich ausfallen, schätzt die Jungunternehmerin:"Ich finde es spannend, dasss ich nie an einem Punkt stehen bleibe. Die Malerei ist so vielfältig, dass es immer wieder neue Herauforderungen gibt." Um diese zu bewältigen, braucht es nicht nur Können und kunsthistorisches Wissen, sondern auch das richtige Gespür. Sie arbeitet nicht mit vorgefertigten Konzepten, sondern passt sich den Gegebenheiten Ihrer Umgebung an, um daraus Neues entstehen zu lassen. Zuletzt stellte sie all das mit ihrem Team in den Hamptons, dem Nobelsommerrefugium der New Yorker Society, unter Beweis.
"Wir gestalteten mehrere Räume eines Besitzers und bezogen das vorhandene Setting in unsere Landschaftsgemälde mit ein: den Kolonialstil des Hauses, das Schlifland, dass es umgibt, die Karomuster der Terrassenböden, die wir nachh bildeten." Auf einen bestimmten Malstil legt sich die Künstlerin nicht fest. "In meinem Job ist nicht Selbstverwirklichung, sondern Dienstleitung gefragt", erklärt die geschäftstüchtige Künstlerin.
Ihr Repertoire reicht von Barock- über Landschaftsmalerei bis hin zur Pop-Art. Dabei hat es ihr die raumerweiternde, entgrenzende Wirkung ihrer Arbeit besonders angetan. "Es entstehen Idealwelten, in denen sich hinter dem marineblauen Meer sanfte, grüne Hügel erstrecken, in denen exotische Pflanzen blühen und bunte Fantasievögel fliegen", schwärmt Trauttmansdorff.
Ihr kreatives Schaffen geht allerdings weit über die blosse Gestaltung von Wänden hinaus. Sie berät in puncto Sujets, Interieur, Dekoration und Farbe. "Man kann mit einfachen Farbveränderungen sofort eine positive Atmosphäre schaffen. In Cafes oder Restaurants ist diese besonders wichtig, aber auch in einer Tiefgarage". Für Letztere entwarf sie ein eigenes Farbkonzept, das dem Benützer nicht nur die latente Angst in einer Tiefgarage nimmmt, sondern auch die Orientierung erleichtert. Oft erkennt die Farbexpertin auch Probleme, die der Kunde zwar wahr nimmt, aber nicht benennen kann. "Ein griechischer UNternehmer wollte für sein Panoramafenster mit Blick auf die Akropolis bemalte Vorhänge, mit exakt diesem Ausblick. Doch das Problem lag nicht an dem Fenster, sondern an der Decke des Raumes- sie war weiss und leer." Man einigte sich auf einen Sternenhimmel. "Noch heute ruft mich der Kunde an, um mir zu sagen, wie glücklich er ist."
Dass sie Menschen mit ihrer Arbeit langfristig viel Freude bereitet, ist für Sophie Trauttmansdorff das Schönste an ihrem Beruf. Auf die Frage, was sie in Zukunft beruflich noch vorhat, antwortet sie bescheiden: "Ich möchte so weitermachen, wie bisher."