Format - März 1998
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Heimische Maler betreiben die Wiederentdeckung der alten Kunst des Trompe-I'oeil
Anhänger moderner Wohn-kultur haben einiges hinter sich: In den siebziger Jahren ließen sie sich von grell-bunten Rautentapeten und schrillgemusterten Langhaar-teppichen an den Rand der Verzweiflung treiben, in den achtziger Jahren, als kühler Minimalismus verlangt war, bewegten sie sich zwischen radikalweißen Wänden und designter Sushi-Anrichte. Inzwischen ist die karriereorientierte Sachlichkeit im Wohnbereich einer neuen Gemütlichkeit gewichen. Man liebt es wieder verträumt und kuschelig. Die neue Lust an der Alltagsflucht haben Kreative jetzt auch in Österreich zu ihrem Programm gemacht: Trompe-I'oeil ("optische Täuschung") heißt das neue Zauberwort sowohl Akademieabgänger als auch Inhaber von so wohlklin genden Namen wie Hoyos und Trauttmansdorff versorgen damit Kunden, die plötzlich ihren Sinn für das Phantastische entdeckt haben.
"Früher kannte man Wandbemalungen nur mehr aus Kirchen und Schlössern", so Stephanie Hoyos, die mit ihrer Partnerin seit drei Jahren eine Agentur für Dekormalerei betreibt, "in der jüngsten Zeit nimmt das Interesse an Wandgestaltungen allerdings rapide zu." Marmorierungen oder Holzimitationen kosten bei den kreativen Damen 800 Schilling, ein Himmel ist ab 1.390 Schilling pro Quadratmeter zu haben.
Abseits der simplen Dekormalerei möchte sich die Künstlerin Raya Schwan-Reichmann positionierert: Die Wienerin knüpft in ihrer Arbeit mittels alter Malereitechniken an die Tradition der Tafelbilder des 18. Jahrhunderts an. Seit Jahren beglückt sie finanzkräftige Kunden mit üppigen Landschaften, Barockengeln und Sagengestalten. Über mangelnde Auftragslage kann auch sie nicht klagen: Zunächst malte sie die Kulissen für die in Wien abgedrehte Hollywoodproduktion "Die drei Musketiere", dann schmückte sie in zweijähriger Feinarbeit die Zentrale der Getränkefirma Almdudler mit älplerischen Motiven.