Presse - 14. November 1998

Die Wiederentdeckung einer alten Technik

Zwei junge Künstlerinnen haben sich der Wiederbelebung einer aus dem 17. Jahrhundert stammenden Form der Malerei verschrieben: dem Trompe l'Oeil der ?Augentäuschung".

WIEN. Der Blick von einer imaginären Veranda auf ein Meer, das weder rauscht noch Wellen schlägt. Eine Tür, die sich - sobald man sie öffnen will - als Illusion erweist. Die Franzosen nannten diese Form der Malerei Trompe l'Oeil, auf Deutsch heißt's ganz banal ?Augentäuschung".

Zwei junge Künstlerinnen, Stephanie Hoyos und Sophie Trautmannsdorff, haben die im 17. Jahrhundert in Frankreich und den Benelux-Staa-ten, aber auch in Italien sehr beliebte Kunst der Dekorations- und Illusionsmalerei wiederbelebt. Diese besondere Form des Stillebens, in der die Gegenstände so naturgetreu gemalt sind, daß sie im ersten Augenblick als Wirklichkeit erscheinen, hat allerdings eine wesentlich längere Geschichte: Plinius der Altere hat in seiner ?Naturalis historia" bereits von einem griechischen Maler namens Zeuxis (5. Jahrhundert vor Christus) berichtet, der Trauben so täuschend echt gemalt hat, daß Vögel von der Darstellung angelockt wurden. Ein anderes antikes Beispiel findet sich in Pompeji im Haus der Giulia Feiice. Danach geriet das Trompe l'Oeil in Vergessenheit, bis es im 15. Jahrhundert für die Außenseite von Altären wieder entdeckt wurde. Auch im 19. und 20. Jahrhundert spielte diese Form der Malerei im Surrealismus und den neuen realistischen Strömungen eine große Rolle.

Ziel der Trompe l'Oeil-Malerei sind Imitationen von Materialien (Holz, Marmor, Stein) oder von Motiven (Landschaften, Effekten oder auch optischen Täuschungen). Zwar haben die beiden Jungunternehmerinnen die historischen Techniken übernommen, geändert haben sich jedoch die Auswahl der Materialien: Zum Einsatz kommen neben den besonders teuren Ölfarben auch Lacke und Acrylfarben. Am liebsten verwenden die beiden Acrylfarben: Diese seien wasserlöslich, viel gesünder und auch haltbarer. ?Vor allem in Naßräumen ist das von großer Wichtigkeit", erklärt Trautmannsdorff.

?Wir malen jedem die gewünschte Illusion an die Wand". Den Wünschen und Vorstellungen der Kunden sind keine Grenzen gesetzt: ?Wir malen alles - vom Himmel bis zur kompletten Landschaft inklusive Hund", so Trautmannsdorff. Kein Raum ist heilig Kein Raum ist den beiden, die wie die Maler der Vergangenheit von Auftraggeber zu Auftraggeber reisen, heilig. ? Stiegenaufgänge, Badezimmer, Schlafzimmer - wir haben schon überall Decken oder Wände gestaltet".

Wandeffekte, also changierende Farben an der Wand, sind bereits ab 950 S/m2 zu haben. Für eine Dekorationsmalerei muß man mit einem Quadratmeterpreis von 2000 S aufwärts rechnen. Je aufwendiger der Kundenwunsch, desto teurer wird es. Dazu kommen die Kosten für Kost, Logis und Benzin der beiden Künstlerinnen sowie Unkosten, zum Beispiel für die Errichtung eines Gerüsts.

VON  URSULA  RISCHANEK