Parnass - Jänner 1998

KUNSTHANDWERK ILLUSIONS- UND DEKORATIONSMALEREI

Dschungel im Bad gefällig? Oder ein Stück Meeresstrand in der Schlafnische? Waterworld in WC oder ein Ausblick auf arkadische Landschaften vom Salon? Was in Kirchen, Schlössern und Villen bis ins 19. Jahrhundert durchaus üblich war und seither in Vergessenheit geraten ist, wird von zwei jungen Damen wiederbelebt: Illusions- und Dekorationsmalerei nennt sich das Metier, das Rosenlauben auf Schlafzimmerplafonds, Marmorvertäfelungen in düstere Flure und Bibliothekswände in Durchschnittswohnzimmer zaubert.

Stephanie Hoyos und Sophie Trauttmansdorff verstehen sich als Kunsthandwerkerinnen und sind der Überzeugung, jeder Raum eigne sich für der gleichen Dekoration. Vorausgesetzt, Motiv und Proportionen passen zusammen. Kennengelernt haben einander die beiden in Brüssel, wo sie an der renomierten Ecole de Peinture Van der Keelen einen sechsmonatigen Kurs besuchten. In strenger Schuldisziplin wurden dort der Umgang mit Techniken und Farben gelehrt, Perspektive studiert und die naturgetreue Wiedergabe von Materialien wie Holz, Marmor, Stoff etc. geübt. Genaues Sehen ist nötig, um Lichtreflexe auf verschiedenen Textilien, Färbung und Maserung bestimmter Holz- und Steinarten exakt zu imitieren. Natürlich ist es auch erforderlich, ein paar Tricks und Kniffe zu kennen, die die Arbeit erleichtern. Kunsthistorisches Wissen gehört dazu, und daß zeichnerisches Talent die Voraussetzung dafür ist, daß Vögel wie Vögel und Fische wie Fische aussehen, versteht sich von selbst. Durch Übung, Praxis und Erfahrung haben Stephanie Hoyos und Sophie Trauttmansdorff ihr Können erweitert, so daß sie nun seit drei Jahren eine eigene Firma für Illusions- und Dekorationsmalerei betreiben. Ein Nebengebände im landwirtschaftlichen Anwesen der Trauttmansdorff in Vösendorf ist Werkstatt, Kreativitätszentrale und Lager für Materialien, Muster und Vorzeigebilder.

Gearbeitet wird meist direkt an der Wand, an Ort und Stelle beim Auftraggeber. Auf Leinwand gemalte Motive dienen vorwiegend für Ausstellungszwecke. Nach einem ersten Vorgespräch mit dem potentiellen Kunden wird eine Entwurfskizze erstellt. Im Falle des Einverständnisses wird dann ohne weitere Vorzeichnung direkt mit Acryl- und Dispersionsfarben auf der weiß verputzten Wand gearbeitet. Der Preis wird nach Quadratmetern berechnet, wobei es fixe Sätze für einfache Wandeffekte, Himmel, Meer, Pflanzen, Tiere, Architektur etc. gibt.

Der Aufbau eines Bildes erfolgt in mehreren Durchgängen, wobei die beiden Kunsthandwerkerinnen einander gegenseitig kontrollieren, bestätigen oder kritisieren. Im besten Fall gelingt der Trompe-l'oeil-Effekt so perfekt, daß etwa kürzlich die Lackierung einer mit Holzmaserung bemalten Tür angeregtwurde.

In südlichen Ländern, wo die vor al-lern im 17. Jahrhundert blühende Tradition der Illusionsmalerei - meist in Frescotechnik - nie ganz abgerissen ist und sich innenarchitektonischer Minimalismus nie so ganz durchgesetzt hat, ist das Metier nach wie vor populär. Während hierzulande private Auftraggeber erst allmählich auf den Geschmack kommen, sind es vor allem Restaurants und Hotels, die die Möglichkeiten entdecken. Der aktuellste Auftrag für Stephanie Hoyos und Sophie Trauttmansdorff betrifft das neu adaptierte Grand Hotel in Kitzbühel, wo das Foyer zum Schwimmbad mit einer romantischen Gartenlandschaft versehen wird.

Fotos: Stephanie Hoyos und Sophie Trauttmansdorff, 2331 Vösendorf, Klausengasse 12, Tel: +43/1/699 29 23

Maria Rennhofer

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