Burgenverein 5/05

WAS DAS AUGE TÄUSCHT ODER ÜBER DIE KUNST DER ILLUSIONSMALEREI

von Gabriele Praschl-Bichler

Ich gestehe, daß ich eine absonderliche und zwanghafte Neigung habe: Ich sammle seit vielen Jahren Fotos von bemalten Wänden. Diese Leidenschaft führt mich häufig nach Italien, wo man die meisten dieser Malereien finden kann. Selbst die über Tausend Jahre alten Werke bestechen bis heute in ihrer zeitlosen Schönheit. Und durch die Kunst, etwas vorzutäuschen, was gar nicht vorhanden ist. 

Meiner ausgeprägten Leidenschaft für die selten gewordene? Mauer-Kunst? und dem ständigen Suchen nach Handwerkern und Künstlern, die sie noch immer beherrschen, verdanke ich auch die Bekanntschaft mit Stephanie Hoyos und Sophie Trauttmansdorff. Vor einigen Jahren habe ich in einem einschlägigen Magazin über ihre Arbeit gelesen und bald mit ihnen Kontakt aufgenommen. Schon bei unserem ersten Treffen war ich angesichts der Jugend der beiden Künstlerinnen (damals 21 und 26 Jahre alt) beeindruckt von der Qualität und der Menge ihrer bis dahin geleisteten Arbeiten und von der Professionalität, mit der sie ihr Handwerk betrieben. In einer dicken Mappe bestaunte ich Fotos, die von gemalten Mittelmeeridyllen  an den Wänden überdachter Swimmingpools über eine bunte Unterwasserlandschaft als Kulisse eines Badezimmers bis hin zu einer bezaubernden Märchenwelt in einem Kinderzimmer reichten.

Wenn sich an den Wänden von Badehäusern und Neubauwohnungen unerwartet exotische Blumengärten, phantasievolle Architekturen oder die Weiten der Toskana öffnen und sich ein Holzschrank als Marmorkunstwerk offenbart, dann hat diese Wandlung ein Meister der Illusionsmalerei bewerkstelligt. Wobei die Illusion so vielfältig und abwechslungsreich wie die Welt sein kann. Diese Malkunst, die man je nach Erscheinungsform ?trompe l´oeil? (es ?täuscht das Auge?), Grisaille (grau-weiß gemalten, reliefartigen Bildern) oder Schein- und Dekorationsmalerei nennt, wird bis heute mit Hilfe von alten Handwerkstechniken durchgeführt.

So beliebt diese Kunst auch wieder geworden ist, so gering sind heute aber die Ausbildungsmöglichkeiten für diesen Beruf. Man kann zwar das Maler- und Anstreicherhandwerk erlernen, Wandmalerei kann man sich aber eigentlich nur im privaten Selbstudium aneignen. So haben auch Stephanie Hoyos und Sophie Trauttmansdorff ihr Können im Selbstverfahren erlernt und es durch stetes Anwenden und die bei der Arbeit gewonnenen Erfahrungswerte zu ihrem Beruf gemacht: Im Jahr 1996 gründeten sie eine Firma für Illusions- und Dekorationsmalerei, die sie seitdem mit viel Erfolg betreiben.

Zurück zur mehrtausendjährigen Malkunst, die übrigens nicht nur um ihrer dekorativen Schönheit willen erfunden wurde, sondern auch aus der Not, ungünstige Gegebenheiten ? wie zu kleine oder zu dunkle Räume ? so einfach und so rasch wie möglich zu ?verbessern?. Wenn einem barocken Bauherren z.B. das Treppenhaus seines Palastes zu eng erschien, ließ er es an einer freien Wand einfach spiegelbildlich verdoppeln. Zeugnisse dieser künstlerischen ?Fata Morganas? finden sich in hunderten Villen zwischen Trient, Venedig, Rom und Palermo.

Ebenfalls historisch und ebenfalls dem Bereich der ?Schein-Kunst? zugehörig ist die ?Stucco lustro?- (?glänzender Stuck?) oder ?Scagliola-Technik? (von ?scagliare? = ?schleudern?, dem schwungvollen Auftrag verschieden gefärbter, formbarer Masse, dem Ausgangsmittel von Scheinmarmor), ein außerordentlich altes und selten gewordenes Handwerk, das Stephanie Hoyos und Sophie Trauttmansdorff seit kurzem ebenfalls beherrschen. Jetzt werden sich viele fragen, aus welchem Grund man in früheren Epochen, Marmor künstlich erzeugte und nicht gleich echten Marmor verwendete. Diese Frage ist einfach zu beantworten: Weil es bis ins 19. Jahrhundert für den Schwertransport weder passende Fahrzeuge noch ausgebaute Wege gab. Außerdem konnte man mit künstlich erzeugtem Stein ein Kunstwerk farblich besser an das Interieur anpassen und es wesentlich rascher beenden. Das kam den Bauherren sehr entgegen, die die Fertigstellung ihrer Paläste erleben wollten.

Wenn die Auftraggeber unserer Tage auch ein wesentlich höheres Alter erreichen, so greifen sie doch in immer größer werdender Zahl gerne auf die Schein-Künste zurück. Denn dekorativ gestaltete Wände heben selbst im düstersten Winter die Stimmung. Außerdem besticht diese Malerei durch ihre große Anpassungsfähigkeit. Sie läßt sich ? schlicht, puristisch, aber auch als üppige Scheinarchitektur ? jederzeit in schon bestehende Architektur einfügen. Das versichern die zwei Kunsthandwerkerinnen, deren Angebotspalette von der Farbberatung über dekorative Wandgliederung (einfaches Hervorheben von Stuck, Kanten oder Feldern) bis zum Kreieren von jederlei Effekten auf der Wand reicht ? eine umfangreiche, gesamtkünstlerische Tätigkeit, die den beiden viel Freude bereitet. Besonders aufwendig gestaltet sich auch die Vorarbeit, die das Begutachten und Bewerten des chemischen Ausgangsstoffs, das Aufnehmen der Maße und Dimensionen, das Erfragen ? und oft auch Erraten ? der Wünsche des Auftraggebers, das Vorlegen von Fotomaterial zur Bestimmung des Malstils und der Techniken sowie das Erstellen der ersten Entwurfsskizzen umschließt.

Wenn das richtige Motiv und die richtige Dekoration einmal gefunden sind, beginnt der künstlerische Teil der Arbeit, der ohne Vorzeichnung direkt auf die weiß verputzte, grundierte Wand aufgetragen wird. Dabei ist kunsthistorische Vorbildung genauso nötig wie der ?richtige? Blick, um die entsprechenden Lichtreflexe zur Imitation von Textilien, Holz und Steinarten passend einzusetzen. Unter gegenseitigem kritischen Abwägen und Beraten beginnen die beiden Künstlerinnen dann ihr Werk, das in mehreren Durchgängen entsteht.
Einen besonders spannenden Teil der Arbeit stellt auch die Farbzusammenstellung dar: Denn die richtige Farbe im Raum nimmt nicht nur Einfluß auf das Wohlbefinden des Menschen, sondern kann auch seine Leistungsfähigkeit steigern. Das ist bei der Gestaltung von Seminar- und Büroräumen, von Bibliotheken, Schalterhallen in Banken, Empfangsräumen, Hallenbädern und Restaurants ebenso zu berücksichtigen wie im privaten Bereich (in Badezimmern, Küchen und Eßzimmern). - Wer mehr über die Wirkung der Farben erfahren möchte und sich dafür interessiert, warum im phosphorgrünen Speisezimmer das Essen nicht halb so gut schmeckt wie in einem sonnengelben, der sollte Stephanie Hoyos und Sophie Trauttmansdorff um künstlerischen Rat fragen. Und das (appetit-)anregende Früchte-Stilleben für die Wand gleich mitbestellen.

Sophie Trauttmansdorff, geb. 1973, D.I. hat in Tirol ein Innenarchitektur-Studium absolviert und in Belgien am van der Kelen-Institut die Kunst der Scheinmalerei erlernt. Seit 1996 arbeitet sie gemeinsam mit Stephanie Hoyos als Illusions- und Dekorationsmalerin.

Stephanie Hoyos, geb. 1977, studierte am van der Kelen-Institut die Kunst der Scheinmalerei und ist seit 1996 Partnerin von Sophie Trauttmansdorff. Im Sommer 2001 hat sie gemeinsam mit ihr in St. Petersburg die Scagliola- oder Stucco lustro-Technik erlernt. 

Die beiden Künstlerinnen sind unter den Nummern +43 664 4012994 und +43 664 4012995 und unter den E-Mail-Adressen hoyos@murals.at und trauttmansdorff@murals.at zu erreichen. Mehr Information zu ihrem Schaffen findet sich unter www.murals.at. In Deutschland, Griechenland, Italien, Spanien, England, Liechtenstein und Rußland kann man auf ihre Werke treffen. In ihrer Referenzliste findet man das Hotel Sacher wie den Tierpark von Schloß Herberstein (Stmk.), die Galerie Salis (Sbg.), die Kupferberg Gold Weinkellerei in Mainz, das World Trade Center, den Flughafen in Wien, Schloß Horn (in Nö.) und sogar das Russische Staatsmuseum in St. Petersburg. Künstlerisch läßt sich von ihnen alles bewerkstelligen. Die beiden Kunsthandwerkerinnen malen in Kapellen, Palästen, Gartenpavillons, Stiegenhäusern, Salons, Bibliotheken, Schlaf- und Arbeitszimmern, Kinderzimmern, Empfangshallen, Vorräumen, Seminarräumen, Büros, ebenso wie in Restaurants, Hotels, Wellnessbereichen, Saunaruheräumen, Einkaufs- und Erholungszentren, Kinderspitälern, Partykellern, auf Terrassen, in überdachten Schwimmbädern, Badezimmern und natürlich auch in Toiletten. Aber auch Paravants, Stammbäume und Bühnenbilder finden sich in ihrem kreativen Leistungsangebot. Die Preise der Kunstwerke errechnen sich nach Quadratmeter, wobei es fixe Sätze für einfache Wandeffekte, Himmelsillusionen, Pflanzen und andere Motive gibt.

Gabriele Praschl-Bichler, geb. 1958, Literatur- und Kunstwissenschaftlerin, hat etliche kulturhistorische Bücher veröffentlicht. Zur Zeit bereitet sie einen Fotoband über ?Traditionelles Kunsthandwerk? vor, wie es heute von Mitgliedern alter österreichischer Familien betrieben wird. Darin wird über die Arbeit von Stephanie Hoyos und Sophie Trauttmansdorff ausführlicher zu lesen sein. Das Buch erscheint im Sommer 2005.